Erneuerbare Energien im Visier
Mehr Unabhängigkeit vom schwarzen Gold
Es ist in diesen Tagen ein zweischneidiges Schwert mit den erneuerbaren Energien: Auf der einen Seite scheinen uns globale Krisen wie Corona oder der traurige Krieg in der Ukraine von der eigentlich allumfassenden Klimakrise abzulenken – zumindest, was die mediale Berichterstattung angeht. Auf der anderen Seite zeigen uns doch gerade diese Krisen, die absolut essentiell und unumgänglich es in den nächsten Jahren sein wird, uns politisch sowie wirtschaftlich auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu konzentrieren und unseren vollen Fokus auf diese Thematik zu legen.
Noch nie wurde uns so sehr vor Augen geführt, wie wichtig es ist, uns von Staaten wie Russland energietechnisch unabhängig zu machen. Für uns Grund genug, in diesem Monat die Branche der erneuerbaren Energien einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
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Wachstum in der erneuerbaren Energien Branche
Laut den Daten von statista.com lag der weltweite Umsatz in der Erneuerbare Energien Branche im Jahr 2020 bei 613,77 Milliarden US-Dollar. Das mag zunächst nach einer hohen Zahl klingen, dieser Eindruck wird jedoch etwas geschmälert, wenn wir sie ins Verhältnis zur Gesamtgröße des Energiesektors setzen. Dieser hat im Jahr 2020 einen Umsatz von rund 2.500 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen gehabt. Erneuerbare Energien haben hier also gerade einmal ein gutes Fünftel an Anteil zu verzeichnen gehabt.
Nichtsdestotrotz ist damit zu rechnen, dass sich die Kräfteverhältnisse in den nächsten Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit stark ändern werden. Die Analysten von Statista erwarten ein Umsatzwachstum der erneuerbaren Energien auf 1.129,74 Milliarden Dollar im Jahr 2027. Dies entspricht einem CAGR von rund 9 %. Die Analysten von alliedmarketresearch.com gehen gar von einem Wachstum der Branche auf bis zu 1.977,6 Milliarden Dollar im Jahr 2030 aus. Diese Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn Covid-19 hatte einen merkbar negativen Einfluss auf die Branche. Aufgrund verringerter Arbeitskraft und Social Distancing Regeln mussten geplante Wartungsarbeiten weltweit verschoben werden und zahlreiche Großprojekte befinden sich massiv im Verzug oder wurden gar komplett gecancelt.
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Perspektiven der Erneuerbaren Energien Branche
Erneuerbare Energien decken weltweit zum aktuellen Zeitpunkt etwa 7 % des Energiebedarfs ab. Hier sehen wir noch viel Spielraum nach oben. Unter dem Begriff “Erneuerbare Energien” fassen wir diverse Quellen zur Energiegewinnung zusammen. Die Wichtigsten sind dabei Solarenergie, Geothermik, Wind, Bioenergie sowie Wasserkraft. Sie alle verbindet ein theoretisch grenzenloses Vorkommen und somit Nutzungsvolumen sowie der Nachhaltigkeitsgedanke.
Gerade Letzterer ist dabei treibende Kraft und Fluch zugleich, denn um das eigentliche Potenzial dieses Gedanken freisetzen zu können, müsste die Menschheit zunächst seine Notwendigkeit akzeptieren – und das nicht nur in einigen Ländern, sondern global. Wir wollen an dieser Stelle natürlich nicht allzu sehr in die Philosophie abdriften oder idealistisch argumentieren, sondern die Thematik wirklich rein objektiv aus Investorensicht betrachten. Solange es Machthaber wie den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gibt, welche auf der einen Seite den Klimawandel vollständig leugnen, auf der anderen Seite mit ihren Entscheidungen jedoch einen enormen Einfluss auf eben jenen Klimawandel nehmen, betrachten wir es nach wie vor als schwierig, eine wirklich globale Akzeptanz für das Thema zu etablieren.
Bolsonaro mag ein Extrembeispiel sein, doch seien wir ehrlich – auch hier in Deutschland stößt das Verständnis für die Notwendigkeit eines schnellen Umschwungs hin zu erneuerbaren Energien schnell an seine Grenzen. Die mittlerweile allseits bekannte Debatte um die 10H-Regelung in Bayern, strikt verteidigt vom Ministerpräsidenten Markus Söder, stellt hier sicherlich nur die Spitze des Eisbergs dar.
Wie schnell und effizient die Branche also tatsächlich wachsen wird, hängt maßgeblich davon ab, wie die Menschheit im allgemeinen über die Thematik denkt und als wie dringlich wir sie erachten.
Zweifelsohne findet hier ein Umdenken statt, doch dieses eben nur langsam und über Jahrzehnte. Nach meinem persönlichen Empfinden war nach Ausbruch des Ukraine Krieges der Aufschrei größer, alte Atomkraftwerke wieder zu reaktivieren, als den Fokus nun umso stärker auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu lenken. Diese Problematik sollte man als potenzieller Investor unbedingt im Hinterkopf haben.
Die Gewinnung erneuerbarer Energien setzt enorme Erstinvestitionen voraus und ist zum aktuellen Zeitpunkt teurer als beispielsweise die Erdölgewinnung und -Verwertung. Das ist gut nachvollziehbar: Die gesamten Infrastrukturen sind hier bereits existent, während sie für die nachhaltigen Energiegewinnungsmethoden eben noch erschaffen werden müssen. Hinzu kommt, dass hier spezialisierte Arbeitskräfte notwendig sind, um diese Technologien zu entwickeln und schließlich auch zu installieren.
Auf der anderen Seite sind es gerade Staaten wie Indien und China, die aktuell zwar noch auf der roten Liste der Klimasünder stehen, die für die Zukunft ein enormes Wachstumspotenzial bieten. Wir benötigen Energie zum Heizen, für Elektrizität, zum Kühlen und im Transportsektor. Allein dieser wird in den kommenden Jahren durch den Umschwung hin zu Elektroautos, gerade eben in Ländern wie Indien und China, zu einem stark wachsenden Energiebedarf führen. Dieser kann auf lange Sicht zweifelsohne ausschließlich durch nachhaltig gewonnene Energien gedeckt werden.
Doch auch hier haben wir es wieder mit Regierungen zu tun, deren Entscheidungen bestenfalls als unberechenbar bezeichnet werden können. Der Umschwung hin zu den Erneuerbaren wird kommen – wie schnell er kommen wird, lässt sich allerdings nur sehr schwer seriös beurteilen.
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Erneuerbare Energien nach Region und Typ
Der Asien-Pazifik Raum ist für mehr als die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs verantwortlich. Daher ist es als positiv zu bewerten, dass der Erneuerbare Energien Sektor dort mit einem CAGR von 9,6 % laut alliedmarketresearch.com überdurchschnittlich schnell wächst. Dies ist natürlich auch notwendig, denn die Industrialisierung schreitet hier mit besonders hohem Tempo voran. In meisten Deutschen würden China wahrscheinlich als einen der schlimmsten Klimasünder weltweit betrachten, doch das ist so nicht ganz richtig. Wir wollen die Probleme hier keinesfalls kleinreden, doch im Reich der Mitte tut sich auf diesem Gebiet eine ganze Menge. China war bereits im Jahr 2017 der größte Produzent von Bioelektrizität weltweit und ist mittlerweile treibende Kraft in den Bereichen Wasserkraft, Onshore, Windkraft und Solarenergie. Der wissenschaftliche und technologische Vorsprung, den China gegenüber Europa über die Jahre im Solar Bereich aufgebaut hat, hat die Branche hier vor Ort fast zum Stillstand gezwungen. Ich erinnere mich an ein Fernsehinterview mit einem ehemaligen deutschen Solarunternehmer, der nur müde lächelnd mit dem Kopf geschüttelt hat und meinte, China sei uns in diesem Bereich dermaßen weit voraus, dass es keinen Sinn mehr ergeben würde, überhaupt zu versuchen, ein konkurrenzfähiges Produkt zu entwickeln. Aus unserer Sicht eine traurige Prognose!
Den umsatzstärksten Bereich in der Erneuerbare Energien Branche stellt aktuell überraschenderweise das Wasserkraft Segment dar. Noch ein überraschender Fakt: Ein Großteil dieser Wasserkraft Entwicklung findet tatsächlich in Brasilien statt. Auch in anderen südamerikanischen Ländern wie Kolumbien und Peru geht die Entwicklung in diesem Bereich rasant voran. Auf der unten stehenden Grafik siehst Du die Verteilung der einzelnen Sektoren zum aktuellen Zeitpunkt und ihren erwarteten Anteil hin zum Jahr 2030.
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Aktiengesellschaften und ETFs in der Erneuerbare Energien Branche
Im Gegensatz zu den anderen Branchen, die wir in den vergangenen Monaten analysiert haben, werden Dir die großen und bedeutenden Aktiengesellschaften im Bereich der erneuerbaren Energien höchstwahrscheinlich weniger geläufig sein – es sei denn, Du arbeitest in dem Bereich. Der weltweit größte Konzern aus Sicht des Umsatzes ist das dänische Unternehmen Orsted A/S mit einer Marktkapitalisierung von 52,97 Milliarden US-Dollar und einem Jahresumsatz von 51,45 Milliarden Dollar. Seitens der Marktkapitalisierung ist die spanische Firma Iberdrola SA allerdings noch größer. Sie verfügt über eine Marktkapitalisierung von 71,19 Milliarden US-Dollar, jedoch bei einem geringeren Umsatz von 36,90 Milliarden Dollar.
ETFs auf erneuerbare Energien sind nachvollziehbarerweise im Trend. Der größte unter ihnen, welcher über ein KIID Dokument verfügt und somit uneingeschränkt auch in Deutschland handelbar ist, ist aktuell der iShares Global Clean Energy UCITS ETF mit einem Fondsvolumen von 5,641 Milliarden Euro. 32,63 % seines Kapitals sind in den USA angelegt, an zweiter Stelle folgen Spanien mit 8,49 % und Kanada mit 6,9 %. Auch China ist mit 6,36 % Anteil im Fonds enthalten. Die größte Einzelposition hält der Fonds beim dänischen Unternehmen Vestas Wind Systems A/S. Eine Alternative zu dem ETF von iShares ist der Lyxor MSCI New Energy ESG ETF mit einem deutlich kleineren Fondsvolumen von 1,401 Milliarden Euro, allerdings inklusive einer ESG Zertifizierung.
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