Werte Trader,

willkommen zu unserem ersten Beitrag über die Trading Psychologie. Nachdem wir uns im ersten Video „Emotionen im Trading“ bereits mit der grundlegenden Bedeutung von Emotionen auseinandergesetzt haben, möchten wir heute einen Schritt weitergehen. Wir werden uns damit beschäftigen, wie Du Deine Emotionen nicht als Feind, sondern als Verbündeten im Trading nutzen kannst.

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Emotionen: Die wahre Energie hinter Deinen Handlungen

Im letzten Beitrag haben wir gelernt, dass Emotionen die treibende Kraft hinter unseren Handlungen sind. Es ist also wenig sinnvoll, nur an der Oberfläche – also am Verhalten – anzusetzen, wenn wir unser „irrationales“ Handeln im Trading verändern wollen. Stattdessen sollten wir uns auf die Quelle konzentrieren, nämlich unsere Emotionen. Ein wichtiger Punkt hierbei ist das Verhältnis zwischen Verstand und Emotionen.

Genauer gesagt, das Verhältnis zwischen präfrontalem Cortex (PFC) und dem limbischen Stressnetzwerk. Diese beiden sind antikorreliert, was bedeutet: Wenn das eine System hochfährt, fährt das andere herunter. Der mediale PFC (mPFC) steuert die Reaktionen des Körpers auf Stress und hilft dabei, Energie dort einzusetzen, wo sie gerade am meisten gebraucht wird (McKlveen et al., 2015).

In zu hohen Stresssituationen, wie sie im Trading oft vorkommen, übernehmen die Emotionen die Kontrolle, der PFC schaltet ab, da unser Gehirn in erster Linie unser Überleben sichern will. Die Illusion, man könne Emotionen einfach kontrollieren, gleicht dem Versuch, sich im Armdrücken gegen Hulk zu behaupten – ein aussichtsloses Unterfangen.

Ist der Verstand das eigentliche Problem?

Emotionen werden oft für Blackouts, Overtrading, FOMO (Fear of Missing Out), FOBO (Fear of Better Options), Revenge Trades und andere Fehltritte verantwortlich gemacht. Doch was, wenn das eigentliche Problem nicht die Emotionen, sondern der Verstand ist?

Wie ich kürzlich im Escape Room des großen Magiers Houdini gelernt habe, ist nichts so, wie es scheint. Das Problem liegt nicht in den Emotionen oder dem Verstand, sondern in der Kommunikation zwischen beiden. Es geht um einen Austausch auf Augenhöhe. Aber begegnen wir unseren Emotionen wirklich auf Augenhöhe?

Die Forschung zeigt, dass wir in der westlichen Kultur dazu neigen, uns stark mit unserem Verstand zu identifizieren und unsere Emotionen zu unterschätzen, gar auf sie herabschauen. Diese Sichtweise verändert sich jedoch zunehmend.  Emotionen werden heute als entscheidende Verbindung zwischen Individuen, Kultur und sozialen Strukturen anerkannt (Neckel & Pritz, 2019).

Dennoch ist es leider immer noch üblich, den Verstand über die Emotionen zu setzen – Diese Fehlhaltung führt dazu, dass Du, “Verstandsmensch”, ins Armdrücken mit Deinen Emotionen gehst. Da Emotionen aber das Verhalten steuern, wirst Du im Kräftemessen verlieren und irrational handeln.

Wie wäre es an dieser Stelle auch mit einem magischen Perspektivwechsel? Wir sind nicht nur unser Verstand, sondern auch unsere Emotionen. Wenn Du lernst, Hulk auf Deine Seite zu holen, wirst Du stärker als je zuvor. Dann wirst Du auch in der Lage sein, Dich auf das Trading zu konzentrieren. Die meisten Trader kämpfen stattdessen bevorzugt gegen sich selbst. Ein Kampf, der nicht zu gewinnen ist. Warum nicht stattdessen versuchen, die Kraft der Emotionen zu nutzen, um als Persönlichkeit zu wachsen?

Emotionen und ihre Funktionen verstehen

Nimm an, dass jede Emotion eine Funktion und eine positive Absicht hat. Der Schlüssel ist, diese Absichten zu verstehen und eine Kommunikation auf Augenhöhe mit Deinen Emotionen zu führen. Emotionen und Verstand sind keine Gegner, sondern Partner. Dies wird in der Neurobiologie und Anatomie deutlich: Emotionen entstehen nicht im Herzen, sondern im Gehirn, genau wie der Verstand. Beide Systeme kommunizieren über elektrische Signale, die unsere Biochemie beeinflussen und unser Handeln steuern.

Welche Emotionen beeinflussen unser Handeln?

Die Forschung ist sich nicht einig, wie viele und welche Emotionen unser Erleben hauptsächlich beeinflussen. Paul Ekman, ein renommierter amerikanischer Psychologe, hat jedoch sieben Basisemotionen identifiziert: Überraschung, Angst, Ärger, Ekel, Verachtung, Trauer und Freude. Ergänzt werden diese durch vier zentrale soziale Emotionen: Scham, Schuld, Liebe und Stolz.

Diese elf Primäremotionen werden durch Interesse ergänzt, das als häufigste Motivation für unser tägliches Handeln gilt. Basierend auf diesen Kriterien hat der Wirtschaftspsychologe Dirk Eilert zwölf menschliche Emotionen als Primäremotionen klassifiziert. Sie beeinflussen grundlegende psychische Vorgänge wie Wahrnehmung, Denken, Gedächtnis und unser Handeln.

Dein Emotionsteam auf dem Spielfeld

Vergleichen wir diese Emotionen mit einem Fußballspiel, so lassen sich diese zwölf primären Emotionen in drei Gruppen einteilen, wobei Überraschung als neutrale Zwischenstation fungiert und Stolz als „Trainer an der Seitenlinie“ agiert.

Defensive Emotionen:
Angst, Trauer, Scham, Schuld

Kooperative Emotionen:
Interesse, Freude, Liebe

Offensive Emotionen:
Ärger, Verachtung, Ekel

Um im Trading erfolgreich zu sein und emotional gesund zu bleiben, ist es wichtig, den vollen Zugriff auf das gesamte Emotionsteam zu haben.

Julian Nagelsmann würde nie darauf kommen, die deutsche Nationalmannschaft ohne Verteidigung oder Sturm aufs Spielfeld zu schicken. Doch genau das tun viele Menschen beim Trading. Vielleicht unterdrückst Du Deine Angst oder Trauer, lebst aber Deinen Ärger aus, weil er Dir ein Gefühl von Selbstwirksamkeit gibt.

Um im Trading wirklich erfolgreich zu sein und emotional gesund zu bleiben, brauchen wir jedoch den vollen Zugriff auf unser komplettes Emotionsteam – auf alle zwölf Primäremotionen. Emotionen lassen uns von externen Reizen distanzieren, annähern oder abwehren. E-motion =  Gemütsbewegung, Deine individuelle Präferenz, auf die Dinge zu reagieren.

Führen wir uns eines vor Augen: Trading ist Stress für unser System. Du, als Trainer, hast die Aufgabe, Dein Emotionsteam zusammenzustellen und auf das Spiel vorzubereiten. Ohne Taktik wirst Du das Spiel verlieren und Deine Spieler machen irgendwas. Vor allem die Spieler, die Du nicht auf dem Platz haben willst, die aber dennoch da sind und die Du nicht trainierst. Handlungsenergie, die nicht fließen kann, staut sich auf, lädt sich energetisch auf. Die Folge ist, dass  Dein Verstand überhitzt und sich abschaltet. Das klassische kopflose Handeln wird aktiviert und führt zu FOMO, FOBO, Revenge Trades und Overtrading. Die Liste kennst Du sicher.

Ich hoffe, Du verstehst nun, warum es für Dich sinnvoller ist, Dich mit Deinen Emotionen zu verbünden, statt zu versuchen, sie zu ignorieren und zu unterdrücken.

Wie verbündest Du Dich mit Deinen Emotionen?

Der erste Schritt, um Dich mit Deinen Emotionen zu verbünden, besteht darin, sie wahrzunehmen und kennenzulernen. Nach jeder Trading Session solltest Du Dir Zeit nehmen, um zu reflektieren: Welche Emotionen hast Du gefühlt und an welcher Stelle wurde eine Emotion so intensiv, dass sie Dein rationales Denken überlagert hat?

Ein hilfreiches Tool dabei ist die Einordnung der Emotionen nach ihrem „Hitzegrad“ von „heiß“ bis „kalt“. Diese Einteilung kann Dir helfen, zu verstehen, wann eine Emotion zu stark wurde und Dein Handeln beeinflusst hat. Indem Du diese Emotionen anerkennst und trainierst, kannst Du sie für Dein Trading nutzen, anstatt gegen sie anzukämpfen.

Fazit

Trading ist Stress für unser System. Du als Trainer Deines Emotionsteams hast die Aufgabe, Deine Emotionen zu verstehen, sie zu akzeptieren und ihre Energie zu nutzen. Lerne, auf Augenhöhe mit ihnen zu kommunizieren und Du wirst feststellen, dass Deine emotionale Intelligenz im Trading einen entscheidenden Vorteil darstellen kann.

Nimm den ersten Schritt und sage „Hallo“ zu Deinen Emotionen. Sei neugierig, was sie Dir zu sagen haben und nutze ihre Kraft, um Dein Trading auf das nächste Level zu heben.

Ich hoffe, dieser Blogartikel ist hilfreich für Dich! Wenn Du Feedback oder Anmerkungen hast, lass es mich gern wissen!

Marnie

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